Bedingungsloses Grundeinkommen

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This article was last updated on 2021-12-30, the content may be out of date.

Das unterliegt der Fehlannahme, jeder müsse durch das Grundeinkommen am Ende mehr haben. Das ist aber doch nicht der Fall. Man muss einfach nur die eine Hälfte entsprechend so besteuern, dass sie die andere Hälfte gegenfinanziert und in der Konsequenz ist das kaum anders als heute.

Ganz bedingungslos wird aber in absehbarer Zeit nicht funktionieren, zumindest nicht ohne Abschottung nach außen. Daher wird die Bedingung wohl auf absehbare Zeit der Wille zu Arbeiten bleiben.

Vermögensprüfung bei Hartz4 ganz weg (die ist ja nicht komplett ausgesetzt, sondern nur für Vermögen kleiner 60k€ vereinfacht), sofern jemand bereit ist Arbeit anzunehmen und wir haben bereits das was de Facto realistisch an BGE möglich und in den nächsten zwei Jahrzehnten mehrheitsfähig umsetzbar sein wird.

Außerdem gern Bafög bedingungslos für alle, also zumindest in gefragten Berufsfeldern und als günstigen Kredit ohne Teilerlass der Schulden. Gibt kaum bessere Investitionen des Staates als Bildung zukünftiger Steuerzahler. Verstehe nicht, wieso man dem mit Vermögensgrenzen so viele Steine in den Weg wirft.

Ich glaube aber, dass Geld das viel kleinere Problem ist als der Bevölkerung sinnstiftende Aufgaben zu geben, egal ob mit oder ohne BGE. In unserer durchorganisierten und durchregulierten Welt gibt es für viele kaum noch greifbare Anknüpfpunkte etwas zu verändern (wie im Gegensatz hier). Bei uns darfst du dich, natürlich aus guten Gründen, bei allem direkt mit Haftung und Bürokratie herumschlagen, selbst wenn es nur um Luftfilter in der Schule geht und alle anpacken wollen.

Letztendlich haben wir in den westlichen Demokratien bereits genau das Problem der wohlstandsverwöhnten UNN-Erdlinge in “The Expanse”, die von Basic leben, aber abseits einer Karriere-Lotterie keine Perspektive haben. Der Mensch braucht immer eine neue Frontier (Mars am Anfang der Serie/Bücher, [SPOILER] später), um dem Streben nach Selbstverwirklichung genug Raum zu geben. Und das obwohl ihnen klar ist, dass erst die Generationen nach ihnen von ihrer harten Arbeit profitieren werden und nicht sie selbst, aber sie haben eine Perspektive und Vision Teil etwas Größeren zu sein.

Ansonsten hast du Wohlstandskinder in Luftschlössern, die nach Umverteilung rufen, aber sich gar nicht vorstellen können, dass der Wohlstand nicht gottgegeben ist und sie in einer globalen Welt mit Leuten konkurrieren, die um Größenordnungen hungriger sind und noch echte Träume und Lebensentwürfe mit massiven Aufstiegschancen sehen.


Befürworter von BGE spekulieren ja darauf, dass es sehr viele individuell sinnstiftende Tätigkeiten gibt, denen die Gesellschaft aber keinen ausreichenden monetären Wert zuweist, so dass Personen in Lohnabhängigkeit sie ausführen würden […] Die Idee mit dem Verlangen nach Schaffung von ganz revolutionärer Innovation sehe ich nicht. Nie war die Mehrheit der Gesellschaft dazu in der Lage, und niemals hatten anteilig mehr Leute Zugang zu hoher Bildung und Risikokapital in jedwelcher Form als heute. Wenn, wird dieses Problem doch eher weniger als mehr

Meiner Meinung nach ist die Masse sowohl überfordert, als auch gar nicht interessiert an diesem Grad von Freiheit. Der Großteil würde einfach weiterarbeiten, weil kein BGE hinreichend viel Luxus leisten kann und damit würden sich auch die Verhältnisse kaum verändern.

Die Utopien treffen vielleicht für 10% der Menschen zu und die 10% finden auch heute bereits Wege sich innerhalb des Systems zu verwirklichen. Und auch von denen würden sich die wenigsten mit einem BGE begnügen, da es tendenziell Leute sind, die gut ausgebildet und intelligent genug sind, deutlich besser durchs Leben zu kommen.

Was bleibt ist Bürokratieabbau und Setzung sinnvoller Anreize (wer mit 50 langzeitarbeitslos wird, sollte nicht seine Lebenssparleistung und Altersvorsorge verlieren) und ich denke das ist der Minimalkonsens an BGE, der durchsetzbar und notwendig ist.

Ich bin selbst liberal, interessiere mich für fast alles und würde mich persönlich niemals langweilen und immer etwas Sinnstiftendes finden, aber ich bin eben trotzdem nicht so naiv zu glauben, dass das für die Mehrheit gilt. Die meisten Menschen sind doch bereits mit der Produktauswahl im Supermarkt und der Wahl welchen Film sie streamen sollen überfordert, wenn ihnen Werbung, lineare Formate und Algos nicht vorgeben würden, wie sie handeln sollen.

Unser gesamtes System bietet ihnen innerhalb ihres Ereignishorizontes überhaupt keinen Raum sinnstiftend tätig zu werden. Und ja, es gibt auch heute in der Theorie bereits mehr Möglichkeiten denn je - von Onlinecommunities, Maker Spaces, Etsy, Community Science bis zu NGOs - aber die Realität ist, dass alle diese Dinge vor allem eine intellektuelle, privilegierte Minderheit erreichen.

In den letzten 20 Jahren hab ich immer wieder - mal mehr, mal weniger erfolgreich - Communities gestartet und moderiert. Basisdemokratie und flache Hierarchien sind eine Illusion. Der Großteil interessiert sich einen Scheiß dafür, erst recht wenn damit auch Verantwortung und unliebsame Entscheidungen einhergehen. Der Großteil will einfach nur Brot und Spiele, wie vor 2000 Jahren auch. Ich glaube auch, dass die meisten Politiker und Eliten diese Einstellung teilen, aber dass es politischer und sozialer Selbstmord wäre, dies öffentlich zu sagen.

Vielleicht ist das anders, wenn man über mehrere Generationen hinweg mit einem anderen Selbstbild aufwächst und mit mehr Gleichheit sozialisiert wird, aber daran würde auch ein BGE nichts ändern, so lang wir weiterhin ein kapitalistisches System haben, in dem es eine finite, knappe Menge an deutlich attraktiveren Lebensentwürfen gibt.

Und bitte nicht falsch verstehen - ich bin kein Kommunist, sondern halte den Kapitalismus nicht nur für das beste System, sondern für den größte Wohlstandsmaschine der Menschheit, aber eben genau weil er von der Realität eines negativen Menschenbildes befeuert wird. Alle Todsünden (Hochmut, Geiz, Begehren, Rachsucht, Völlerei, Neid, Faulheit) sorgen in ihrer Kombination dafür, dass der Kapitalismus aufblüht und somit einfach das beste System ist.

Ich sehe einfach nicht, wie ein BGE das Wesen der Menschheit umkrempeln soll. Replikatoren, Nanobots und quasi unendliche Ressourcen für jedermann - ja, dann muss man das Thema neu denken. Aber auch dann wird es wieder neue Räume geben, die nur den Eliten vorbehalten sind, genau wie den Wunsch der Masse, dazuzugehören.


Man kann auch als Kapitalismusbefürworter einsehen, dass Kapitalismus nur das am Wenigsten schlechte System ist :) in einer Welt finiter Ressourcen ist nunmal weder eine perfekt gleiche noch eine von allen als fair empfundene Verteilung realistisch, irgendwo scheitert jedes Wirtschaftssystem. Mir ist im Prinzip egal, ob eine Idee sozialistisch/kommunistisch oder liberal assoziiert ist - ich habe eine Idee, welche Verteilung ich im Einzelfall “richtig” finde, und befürworte dann die Policy, von der ich glaube, sie bringt uns zum Ziel. Wir leben eh in Mischsystemen Ich denke, deine Sicht auf die Bevölkerung ist etwas zu negativ, aber mir fehlt Wissen zu entsprechender Forschung in Soziologie und Psychologie, um mit mehr als Glauben zu antworten. daher einfach danke für deine lange Ausführung :)

Fürchte dass die Studien komplett nutzlos sind, so lang der Versuchszeitraum zeitlich begrenzt ist. Man müsste ein paar Regionen lebenslänglich studieren, um einigermaßen sinnvolle Ergebnisse zu haben, aber dann hast du das Problem, dass man das finanziell wahrscheinlich nicht einfach hochskalieren kann.

Ich glaube ehrlich gesagt, dass die Ursache des Problems nicht einmal die Ressourcenverteilung ist, sondern schlichtweg dass Menschen nicht gleich sind. Menschen mit bestimmten Eigenschaften und Charakterzügen werden immer erfolgreicher sein als andere. Du kannst versuchen, systematisch bestimmte Kapitaltypen zu eliminieren und alle gleichzumachen, wie etwa bei gleichem ökonomischem Kapital im Kommunismus, aber dann findet die Differenzierung eben bei kulturellem, sozialem oder symbolischem Kapital statt.

Schlussendlich sind aber alle Formen von Kapital konvertierbar, daher führt das immer automatisch in ein totalitäres System, weil genau diejenigen, die nicht so gleich sind wie die anderen, an die Decke des Systems stoßen und auf Linie gebracht werden müssen. Das ist aber historisch nachweislich das Gegenteil von Glück.

Meines Erachtens kann die Utopie nur funktionieren, wenn man die Menschen durch Änderungen des Genoms gleicher macht. Das ist aber gefährliches Terrain und das Gegenteil von Evolution. :-)