Brokerpleite Risiko

Warning
This article was last updated on 2022-01-03, the content may be out of date.

Ich denke das Risiko ist gering aber nicht Null.

Der zentralen Denkfehler, den die Leute machen ist das typische “Ist eh sicher weil es Sondervermögen ist”. Das ist Blödsinn. Sondervermögen gilt für die Fondsanbieter, also Vanguard oder Black Rock und bedeutet, dass bei Konkurs der Fondsanbieter die Broker/Verwahrstellen die echten Werte im NAV verwerten und dir zuteilen. Sondervermögen hat aber keinerlei Bedeutung bei einem Konkurs des Brokers selbst.

Für ETFs gilt genau wie für Aktien, dass es normale Sammelverwahrung ist, in der Regel bei einer zentralen Clearingstelle. Die Wertpapiere sind dann aber im Namen des Brokers hinterlegt und nicht in deinem Namen und müssen bei einer geregelten Insolvenz entsprechend abgewickelt werden. Eine echte Verwahrung auf deinen Namen ist bei wenigen Brokern möglich, jedoch ziemlich teuer - wir reden da in der Regel von fünfstelligen Gebühren im Jahr.

Es ist aber durchaus ein Szenario denkbar in dem es eben nicht zu einer geregelten Insolvenz kommt, weil beispielsweise durch Veruntreuung oder Betrug die Wertpapiere gar nicht mehr existieren. Nimm z.B. an dass ein Neobroker gehackt oder durch Insider so manipuliert wird, dass 1% aller Käufe in Wahrheit gar nicht getätigt werden, sondern anderweitig verschoben werden und man dir einfach einen falschen Depotstand anzeigt.

Das sind im Zweifel gerade mal zehn Codezeilen, die man dafür bei der Verarbeitung von Datenströmen und in der Displaylogik injecten muss, plus entsprechende Manipulation, Bestechung oder Infiltration der Complianceabteilung.

Der trivialste, aber recht offensichtliche Angriff wäre es, dir einfach eine falsche IBAN als Ziel für das Verrechnungskonto anzuzeigen. Damit könnte man das Ganze sogar komplett clientseitig in der Anzeige manipulieren, ganz ohne Backend, bis die Leute auscashen wollen oder es hinreichend vielen auffällt.

Wenn dann schlussendlich auffällt, dass die Wertpapiere schlicht nicht existieren, das Unternehmen Konkurs geht (was bei einem FinTech deutlich eher passiert als z.B. bei der bayrischen Landesbank) und der Insolvenzverwalter auch keine anderen Sicherheiten verwerten kann, bist du nur bis 20k€ und maximal 90% der Anlagen abgesichert.

Wie gesagt, ich halte das bei deutschen Fintechs nicht für wahrscheinlich, aber auch nicht für ausgeschlossen. Irgendwo im unteren Breich zwischen 0 und 1% in einem Investorenleben. Ich halte allerdings für relativ ausgeschlossen, dass die BaFin das bemerken und verhindern könnte. Und ich halte das Risiko bei “Brokern” wie eToro und Revolut für noch einmal eine Größenordnung höher.

Ich persönlich würde mein Vermögen (>500k€) immer auf drei Broker splitten und nicht substanziell bei Neobrokern anlegen, weil ich einfach deutlich mehr Vertrauen in große Banken mit starren Prozessen und verwachsenen Complianceabteilungen als in hippe Fintechs habe und es abgesehen von Margin keinerlei Nachteile gibt, sondern eher diverse Vorteile, wie beispielsweise liquide zu bleiben, auch wenn einer der Broker mal technische Probleme hat, FIFO-Optimierung bei den Steuern zu betreiben und immer denjenigen mit den gerade besten Konditionen nutzen zu können.


Gibt es denn prinzipiell die Möglichkeit kostengünstig immer bei Neo Brokern zu kaufen und dann jährlich oder alle 2-3 Jahre die Aktien zu einem anderen Broker zu schieben wo sie quasi nur “verwahrt” werden? Selbst wenn man dann ein paar Euro Depotgebühren pro Jahr zahlt? Oder ist das zu aufwendig/teuer?

Theoretisch ja, weil ein Depottransfer in Deutschland kostenlos angeboten werden muss. Praktisch werden sie dir vermutlich nach 2-3 Transfers kündigen, weil es sich einfach nicht lohnt. Depottransfers sind immer noch zu guten Teilen händische Prozesse und kosten die Broker effektiv vermutlich ~100€+. Damit bist du einfach kein lohnender Kunde mehr.

Aber ich seh auch keinen Grund, sich selbst die Arbeit und den Ärger zu machen (vor allem korrekter Übertragung der Einstandskurse hinterherzulaufen). Ist ja nicht als wären ING und DKB für Buy&Hold Anleger wirklich teuer.

Für die 5% Funny Money Spekulation nach Bogle kann man ja ruhig die üblichen Neobroker nutzen - der Rest kann trotzdem langweilig im Sparplan bei den großen laufen. Wer allerdings mit dem Großteil seines Vermögens aktiv spekuliert, sollte das eh nur hauptberuflich tun und dann brauchst du echte, professionelle Broker mit Level-3 Kursdaten, Spezialsoftware, API, etc.

Smartbroker war bisher ein schöner Kompromiss aus moderner Kostenstruktur mit althergebrachter Sicherheit im Hintergrund, aber viele vermuten, dass sie sich von DAB/BNPP unabhängig machen wollen, weil diese Wachstum und Innovation ausbremsen.


Was ist deine Meinung gegenüber Interactive Brokers, bzw. Resellers wie Lynx?

Ist als Buy&Hold Anleger mit deutschem Wohnsitz bei Fonds in Sachen Vorabpauschale und Depottransfers steuerlich ziemlicher Wahnsinn und das wird meines Erachtens von vielen hart unterschätzt.

Für echten Optionshandel oder wenn man eines Tages Deutschland verlässt, ist IBKR wohl erste Wahl. Denke das Missbrauchsrisiko ist dort eher gering. Ich würde trotzdem über mehrere Broker (und dann auch Jurisdiktionen) hinweg streuen.

Reseller sind meines Wissens bei den aktuellen Gebühren alle unnötig. Tastyworks hatte einen guten Ruf, die anderen eher weniger, aber selbst keine Erfahrungen.