Crashpropheten SAG

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This article was last updated on 2020-02-26, the content may be out of date.

Nach der vorletzten Finanzrockerfolge in welcher der Crashprophet Marc Friedrich viel zu lang und frei Schwachsinn von sich geben durfte, inklusive einem Verweis auf das Thema SAG, hat ein “langjähriger Hörer” in den Kommentaren zur Folge das Ganze recherchiert und schön zusammengefasst:

Ich schreibe eher selten, aber nach dem Hören dieses Podcasts und vor allem dem Gucken des Videos zum SAG muss ich auch meinen Senf dazugeben, da er mich sehr geärgert hat.

[…]

Extrem geärgert hat mich aber das Thema SAG. Aufgrund der Werbung im Podcast habe ich mir mal das YouTube-Video angesehen. Was dort erzählt wird, grenzt für mich an bewusster Desinformation und hat so gar nichts mit dem so seriösen Aufklärungsgedanken zu tun, der im Podcast propagiert wird. Klar, ein Video mit der inoffiziellen Überschrift „Die Bundesregierung lässt in einer Nacht- und Nebelaktion die Grundlage für die Enteignung der Sparer beschließen“ ist natürlich reißerisch, sorgt für Klicks und bedient eine bestimmte Klientel. Mit einer ausgewogenen Darstellung oder gar einem Bildungsanspruch hat das gar nichts zu tun. Ich will den Kommentarblock hier nicht zu sehr „zuspammen“ und meinen Kommentar nicht zu lang werden lassen. Daher nur ein paar Fakten, die Herr Friedrich (bewusst?) unterschlagen hat:

* Das SAG ist die Umsetzung der europäischen BRRD (Bank Recovery und Resolution Directive) und keine deutsche Spezialität. Sie gilt europaweit. Das SAG ist die deutsche Umsetzung.

* Entsprechend gibt es mit dem Single Resolution Board (SRB) ein zur FMSA europäisches Pendant, das für alle Banken verantwortlich ist, die unter die Aufsicht der EZB fallen. Die FMSA ist es für die deutschen Banken, die nicht durch die EZB beaufsichtigt werden.

* Das SAG regelt u.a. welche Instrumente genutzt werden können, wenn eine Bank in Schieflage gerät. Darunter zählen beispielsweise die Einrichtung von Brückeninstituten für die Fortführung der „guten Teile“ der Bank, die Bildung einer „Bad Bank“ und eben auch ein „Bail In“. Das ist das, was Herr Friedrich in seinem SAG-Video anspricht.

* Bail In bedeutet, dass Eigenkapitalgeber und Gläubiger im Fall der Fälle an der Verlusten und der Rekapitalisierung des Instituts beteiligt werden. Heißt: Zuerst werden die Verluste ausgeglichen und dann, wenn es gewollt ist, die Bank oder Teile davon mit neuem Kapital fortgeführt.

* Dies geschieht zum einen durch die Herabschriebung („Auslöschung“) von Forderungen und Eigenkapital, sowie, zur Rekapitalisierung, durch Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital.

* Herr Friedrich suggeriert nun, dass Sparer in dem Fall „enteignet“ werden. Völlig ungesagt lässt (ich vermute und hoffe für ihn wider besseren Wissens), dass es eine Haftungskaskade gibt (§97 SAG). Die gibt vor, in welcher Reihenfolge die Verlustbeteiligung erfolgt, in welcher Reihenfolge also bereit gestelltes Kapital für den Ausgleich von Verlusten herangezogen wird bzw. in Aktienkapital umgewandet wird. Zunächst wird dabei das harte Kernkapital (aka Aktionäre) herangezogen, dann weitere Kernkapitalinstrumente, dann nachrangige Verbindlichkeiten (Ergänzungskapital), dann nicht-nachrangige Verbindlichkeiten (aka stinknormale Anleihen von Banken) – bis hierhin geht es also ausschließlich um Aktienkapital und Anleihen von Gläubigern, die wissen, worauf sie sich einlassen. Und dann kommen in der Kaskade Einlagen über 100.000 Euro von Unternehmen und dann die Einlagen > 100.000 EUR von Privatpersonen (ist übrigens auch hier sehr schön dargestellt: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/BA/mb_haftungskaskade_bankenabwicklung.html oder hier: https://www.deutsche-bank.de/content/dam/deutschebank/de/shared/pdf/ser-bankenabwicklung-und-glaeubigerbeteiligung.pdf)

* Damit möglichst viel Masse, bei denen es sich nicht um Kundeneinlagen handelt, für einen Bail In zur Verfügung steht, gibt es Vorgaben. Dies ist die sogenannte MREL-Quote, die durch die Aufsicht festgelegt wird und den Mindestbetrag festlegt, den die Banken an Anleihen vorhalten müssen, die einem „Bail In“ unterliegen.

* Um dafür mal ein Gefühl zu geben, was das heißt, mal die Zahlen der Deutschen Bank. Die hat eine Vorgabe von 9,14%, bezogen auf die Verbindlichkeiten. In Zahlen sind das 101 Mrd. EUR. Tatsächlich hält die DB per 30.06.2019 (das Aktuellste, was sich so auf die Schnelle ohne große Suche im Internet finden ließ) 121 Mrd. EUR vor. Dabei handelt es sich ausschließlich um Kapital der Aktionäre sowie Anleihen. Im Klartext: Erst wenn im Fall einer Schieflage diese 121 Mrd EUR vollständig aufgebraucht wären, müssten irgendwann Privatanleger mit ihren Einlagen einstehen.

* Nun hat der ein oder andere, der das Video gesehen hat, vielleicht die 200 Mrd. EUR im Hinterkopf, die dort genannt werden und denkt sich, dass das wohl eher nicht reicht. Hier ist es wichtig zu wissen, dass in dem Video Rekapitalisierung (das, von dem ich oben gesprochen habe und was Herr Friedrich meint) und Garantien zusammengeworfen werden. Ersteres kostet „echtes“ Geld, Zweiteres sind zunächst erstmal Garantien, falls die Bank die Rückzahlung nicht leisten kann. In Anspruch genommen wurde hiervon übrigens keine. Wer mag: https://de.wikipedia.org/wiki/Finanzmarktstabilisierungsfonds#Leistungen_und_InanspruchnahmeDas mal in aller Kürze, es gibt natürlich noch viel mehr Facetten. Aber vermutlich haben bis hierhin ohnehin schon die meisten aufgehört zu lesen…

Das alles hätte Herr Friedrich natürlich so in seinem Video differenziert darstellen können. Aber dann wäre’s nicht so reißerisch und würde niemanden hinter dem Ofen hervor locken. Stattdessen wird verkürzt bis zum „geht nicht mehr“ und bewusst ein Eindruck erweckt, der nur in groben Ansätzen den Tatsachen entspricht, bestimmte Klischees bedient und so gar nichts mit der propagierten Finanzbildung zu tun hat.