Ehevertrag

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Weil das wieder so ein typisches Ding ist, wo jeder, der irgendwann mal von einem Präzedenzfall gehört hat, meint er wäre juristisch qualifiziert allgemeingültige Aussagen zu treffen, obwohl es in der Regel extrem auf den Einzelfall ankommt. Beim Thema Rechtssicherheit ist gefühlt jeder Anwalt, Notar und Richter in Person und weiß alles besser.

Wenn man sich die konkreten Urteile anschaut in denen Eheverträge erfolgreich eingeklagt werden, dann sind dort die absurdesten Situationen und Bevorteilungen gegeben und die Gerichte stellen immer ganz klar fest, dass erst die Summe vieler Bevorteilungen und Verstöße gegen die guten Sitten ausschlaggebend für eine Nichtanerkennung des Vertrages ist. Für sich allein sind fast alle Regelungen rechtsgültig, vor allem wenn man offen und transparent, ohne Drucksituation zur Entscheidung kommt und den gemeinsamen Wunsch dokumentiert.

Beispiel: https://www.anwalt.de/rechtstipps/sittenwidriger-ehevertrag-wann-wird-die-grenze-ueberschritten_104368.html

Der BGH stellte in seiner Entscheidung vom 15.03.2017 explizit klar, dass jeder der getroffenen Verzichtsvereinbarungen für sich genommen generell nicht an den Grenzen der Sittenwidrigkeit gescheitert wäre.

Es besteht selbstverständlich Vertragsfreiheit und die Zugewinngemeinschaft kann natürlich modifiziert oder ausgeschlossen werden. Wichtig ist, dass es eine Regelung für Betreuungszeiten, Versorgungsausgleich und ggf. Unterhalt gibt, falls Kinder im Spiel sind und nicht ein Ehepartner unter Druck gesetzt und einseitig übervorteilt wird. Aber eine Anpassung des Zugewinns im Fall einer Scheidung ist für sich AFAIK eigentlich nie ein Problem. Erst recht nicht mit einer klaren Abgrenzung, also beispielsweise der Ausschluss von Unternehmen, Depots, Immobilien und anderen Vermögenswerten inkl. Wertentwicklung, bei stark unterschiedlichen Verhältnissen vor Eheschließung.

Quelle: https://www.haufe.de/recht/familien-erbrecht/merkmale-fuer-einen-in-der-gesamtschau-sittenwidrigen-ehevertrag_220_415472.html

Die Aufteilung des in der Ehe erzielten Zugewinns gehöre nicht zum Kernbereich der ehelichen Pflichten. Ein Ausschluss des Zugewinnausgleichs sei daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, soweit hierdurch nicht die Versorgung eines Ehegatten in existenzieller Weise gefährdet werde (BGH, Urteil v. 17.10.2007, XII ZR 96/05; BGH, Urteil v. 28.3.2007, XII ZR 130/04).

Meistens sind es in der Praxis Details in der Form und Ausführung an denen das Ganze scheitert und gar nicht die Ausschlüsse selbst, also beispielsweise dass die Ehepartner nicht einmal den Vertrag vorgelegt bekommen haben oder nicht beim Notartermin dabei waren und dergleichen.

Auch in dem Kontext häufig zitierte Statistiken sind maximal irreführend, weil rechtsgültige Eheverträge gar nicht erst eingeklagt werden, sondern nur die, bei denen es auch berechtigte Hoffnung gibt, dass man mit der Klage Erfolg hat.

Ist genau wie bei Themen zu abgegoltenen Überstunden oder Verbot von Nebentätigkeiten durch den Arbeitgeber. Da meint auch jeder, er wäre total clever und das sei alles pauschal nicht rechtskräftig, obwohl die meisten Verträge vollkommen rechtens in Anbetracht der Gesamtsituation sind, beispielsweise wenn ein hohes Gehalt eine definierte Zahl Überstunden abgilt und eine Nebentätigkeit ob der abgegoltenen Überstunden daher rein zeitlich gar nicht machbar wäre, ohne gegen das Arbeitsrecht zu verstoßen.

In den USA gibt es übrigens exakt dieselben Vorbehalte gegenüber Eheverträgen. Das ist da eher noch undurchsichtiger, weil die einzelnen Staaten noch einmal unterschiedliche Regeln haben, die teilweise noch viel restriktiver sind als unsere.