Lifestyle Creep

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This article was last updated on 2020-08-23, the content may be out of date.

Ich denke das Subreddit macht hier oft den Fehler, die persönlichen Ansprüche auf den anderen zu projizieren, auch wenn man selbst gar keine Ahnung von einigen Bereichen hat oder diese einem selbst nichts bedeuten.

Um die Frage zu beantworten, muss man mehrere Parameter verstehen:

  • Wie hoch ist das disposable Income? Wer 5000€ Netto hat, muss nicht jeden Euro umdrehen und das Verhältnis Lebenszeit/Aufwand zu Kosten ist ein völlig anderes als beim Hartz4 Empfänger
  • Was sind die Lebensziele und wie geht das mit der Altersvorsorge zusammen? Wer gar kein FIRE Interesse hat und 3k€ gesetzliche Rente bekommt, kann im abbezahlten Eigenheim auch durchaus ohne Aktienportfolio ein sehr gutes Leben führen.
  • Welche Prioritäten, Wünsche und Interessen hat derjenige und vor allem - in welcher Lebenssituation befindet er sich? Das Leben eines Studenten ist völlig anders als das Leben in den späten 30ern. Irgendwann möchten die meisten “ankommen” und es sich irgendwo heimisch machen.
  • Und der wichtigste Punkt: Was ist einem *wirklich* und aufrichtig wichtig?

Die meisten Menschen konsumieren für Status. Das siehst du vor allem in der Markenaffinität in der Unterschicht. Die Konnotation mit Luxus und Erhabenheit dient der Profilierung oder gar der eigenen Identität; man definiert sich durch seinen Konsum. Qualität und innere Wertigkeit sind eigentlich völlig sekundär, es geht um das empfundene Image, nicht um die reale Erfahrung.

Das muss man regelmäßig reflektieren und sich selbst kritisch hinterfragen. Mache ich Dinge für Status oder aus Gewohnheit oder weil sie mir *wirklich* wichtig sind? Wenn der Third-Wave Flat White von meinem Lieblingsbarrista einer der Höhepunkte meines Tages ist und ich den mit etwas Muscovado genieße, dann ist das was anderes als sich täglich Zuckerplörre von Starbucks reinzuknallen (wobei der Flat White bei Starbucks wahrscheinlich immer noch 98% der Kaffeeoptionen in Deutschland überlegen ist).

Meines Erachtens sollte jeglicher Konsum bewusst erfolgen und dann ist er auch nicht verschenkt. Dasselbe gilt für Lehrgeld. Erkenntnisse kosten immer Geld und Zeit. Wenn man wachsen und lernen möchte, dann muss man bereit sein, auch negative Erfahrungen abzuschreiben und als Lehrgeld zu verbuchen. Aber nur so wächst man weiter über sich hinaus und kann Neues erfahren.

Man sollte also als erstes sein eigenes Lebensziel und seine Sparrate im Rahmen seiner Möglichkeiten, mit einem gehörigen Budget für Konsum und Entwicklung, definieren. Sobald man die Sparrate dann am Monatsanfang als erstes beglichen hat, spricht überhaupt nichts mehr dagegen, den Rest auch auszugeben. Natürlich sollte man das Geld nicht sinnlos aus dem Fenster werfen, nur weil es nicht budgetiert ist, man kann den Rest auch durchaus anlegen, aber ich halte es für schädliches Verhalten, seinen Konsum nach bereits beglichener Sparrate zu sehr zu hinterfragen. Es ist viel wichtiger seine eigene Zufriedenheit mit dem Konsum zu hinterfragen und was er einem selbst bringt, als die reinen Metadaten zu tracken.

“If it sparks joy” ist immer noch der beste Indikator. Und den muss man kontinuierlich re-evaluieren und auch lernen, seine eigenen Sinneswahrnehmungen zu schulen und bedachter durchs Leben zu gehen.


Mir sind noch zwei Dinge eingefallen, die ich hinzufügen möchte, auch wenn es leicht Offtopic zum ursprünglichen Thema ist:

Das Ganze gilt nicht nur für materiellen Konsum, sondern genauso für Medien- und Unterhaltungskonsum. Hier ist es besonders tückisch, in einen Gewohnheitskreislauf zu geraten, bzw. Medien zu konsumieren, um Status (immer informiert sein) und Anerkennung (mitreden können) zu erlangen. Dabei sind “News” fast nie gesund und produktiv. Es ist so gut wie immer sinnvoller, eine vernünftige Aufarbeitung mit genug Abstand zu konsumieren, also z.B. The Daily in der NYT, die Themen auch tiefergehend einordnet.

Die Erkenntnis loszulassen und sich zu verändern, wenn Dinge Alltagstrott werden, ist jedoch fast immer schmerzhaft und schwierig. Je tiefer man monetär, zeitlich und emotional investiert ist, desto härter wird es (Sunk cost fallacy). Man sollte sich regelmäßig fragen: “Wie möchte ich eigentlich leben?”, “Bereichert dies mein Leben?”, “könnte ich jetzt etwas Interessanteres tun?” und vor allem auch “wo möchte ich in x Jahren sein?”, denn nicht alles was heute toll ist, ist es auch mit Perspektive in die Zukunft.

Ich habe beispielsweise Jahre gebracht, um zu verstehen, dass Games mir nicht mehr das geben, was sie früher taten und noch länger, nicht mehr den nostalgischen Vorstellungen hinterherzulaufen, sondern ernsthaft loszulassen und Brücken abzubrennen. Die Leere, die dann entsteht, muss man auch erst einmal wieder konstruktiv gefüllt bekommen.

Aber gerade Hobbies, die extrem vereinnahmen und ggf. Lücken in anderen Bereichen aufwerfen sollte man mit einiger kritischer Vorsicht genießen. Ich könnte mich auch heute noch in Eve Online oder EU4 für Wochen verlieren. So lang man dabei wirkliche, intensive Freude empfindet, ist das alles vollkommen okay, aber spätestens, wenn es Gewohnheit wird und die Freude mehr in den Erinnerungen an früher besteht, ist es Zeit loszulassen.


Gute Ergänzung! kann OP nur zustimmen, insgesamt wirklich ein guter Beitrag, habe über vieles so noch nicht nachgedacht und aufmerksam gelesen. Danke für deine Gedanken zu dem Thema.

Welche Art von Konsum macht dich glücklich? Wie bzw. womit hast du entstandene Lücken gefüllt? Bin an einem ähnlichen Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass Gaming mir nicht mehr so viel bedeutet, wie es mal in der Vergangenheit hat. Ich würde gerne hören, wie du damit umgegangen bist. Wofür hast du Lehrgeld gezahlt?

Geht jetzt sehr weit Offtopic, aber ich glaube der schwierigste Punkt ist die Balance zu finden, zwischen Arbeit und Erholung. Also nicht Arbeit im Sinne von Job, sondern von aktiver Arbeit an sich selbst, sprich Persönlichkeitsentwicklung oder dem Erlernen neuer Fähigkeiten. Irgendwann kommt man immer an einen kritischen Punkt, an dem man nur noch mit Disziplin weiter kommt und nicht mehr mit Hype und Motivation.

Am deutlichsten merkt man das, finde ich, wenn man ein Instrument spielt. Anfangs ist alles neu und man ist extrem hyped und enthusiastisch. Doch irgendwann läuft man gegen eine Wand und die Fortschritte werden deutlich langsamer. Dann ist es einfach weiterhin genau das zu spielen, was man bereits kennt, doch dann man macht man kaum Fortschritte. Das gleiche gilt für alle möglichen Themenbereiche. Man braucht ein Curriculum, bzw. einen Trainingsplan, der gezielt das verlangt und einübt, wo man strauchelt. Man muss sich selbst bewusst an seine Grenzen führen. Doch das ist nicht einfach und fordert aktive Energie, was beispielsweise einfach nicht klappt, wenn man parallel viel Stress im Job hat.

Man kann also nicht 100% immer nur Gas geben und on track sein, sonst brennt man aus. Also geht es darum eine gesunde Balance zu finden und auch genügend Zeit einzuplanen, in denen man einfach nur relaxt und sich erholt.

Ich hab eigentlich immer ein Thema, das mich besonders begeistert und motiviert und im absoluten Fokus meiner Gedanken steht. Dazu lese ich dann Bücher, recherchiere im Internet, probiere Sachen aus, etc. Die Themen rotieren alle paar Monate ganz natürlich und ich versuche alles was mein Leben betrifft abzudecken und dann die guten Seiten davon nachhaltig beizubehalten. Vielleicht besuche ich das Thema dann ein paar Jahre später wieder und vertiefe es. So hab ich immer genug “Hype” mitschwingen, um mich zu motivieren.

Das klappt aber nur eingeschränkt, wenn es um Fähigkeiten geht, die man langfristig erlernen möchte. In diesen Bereichen (z.B. Instrumente, Fitness, Ernährung, Sprachen) funktioniert es eben tatsächlich auch nur mit Disziplin. Gerade als jemand, der sich über Jahre stark von seinem inneren Belohnungsgefühl hat lenken lassen, ist mein eigener Fokus momentan mir selbst mehr Routine zu geben. In dem Kontext ist die Pandemie ein absoluter Segen, weil erst 100% Home Office mir die dafür nötige Beständigkeit und Planbarkeit gibt, die ich als Consultant so nie im Leben hatte.

Ich nehme mir beispielsweise nun Zeit für eine ordentliche Gesichtspflege. - Nicht weil ich auf einmal völlig eitel geworden bin, sondern weil ich mir damit Zeit für mich selbst nehme, fest einplane und mir selbst beweise, dass ich in der Lage bin, Dinge kontinuierlich durchzuziehen. Effektiv ist das natürlich auch rational sinnvoll; ich mein das sind fünf Minuten morgens und abends und man hat sein Leben lang bessere, gesündere Haut, aber es geht mehr um den psychologischen Aspekt dahinter. Zu Gaminghochzeiten wäre das verschwendete Zeit gewesen, weil es eben nur eine Priorität im Leben gab. Routine hilft, unterschiedliche Lebensbereiche besser zu balancieren. Daher plane ich nun auch feste Stunden für Piano Practice oder zum Lesen ein und pflege und arbeite meine TODO Liste sukzessive ab. Ich hab für mich gemerkt, dass ich anfangs Games einfach mit Reddit- und Youtubekonsum ersetzt habe, aber seit ich die beiden bewusst einschränke und mehr Routine etabliert habe, bin ich eigentlich ziemlich zufrieden und hab immer noch zu wenig Zeit für all die Dinge, die ich machen möchte.

Lehrgeld ist glaub ich ein Kapitel für einen anderen Tag, aber insgesamt in so ziemlich allen. ;) Manchmal hilft Recherche, doch am Ende des Tages muss man einfach probieren und je breiter man geht, desto mehr wird auch links und rechts am Rand herunterfallen, bis man seine Mitte findet.

Edit zur Art des Konsums, der glücklich macht: Allem voran natürlich Genuss, also Kaffee, Cocktails, Wein, Essen. Aber eigentlich alle Sinneswahrnehmungen. Geruch korreliert stark mit Essen, aber auch mit Pflege und Hygiene, Haptik von Möbel- und Kleidungsstücken, visuelle Ästhetik und Klang. Positive Erlebnisse mit anderen. Und natürlich jegliche damit verknüpften positiven Emotionen. “Schöne” Dinge und Momente eben. :-) Ebenso Neues erleben und Lernen im Allgemeinen.

Eine stilvoll eingerichtete Bar mit gedämpftem Licht, live Jazz Piano, einem perfekt gerührten Pre-Prohibitionstyle Cocktail, der Duft dezenten Parfums gemischt mit den Zitrusnoten der Zeste im Drink, schwere Holzmöbel, die Lichtspiegelungen im klaren Eis und dazu eine nette Begleitung oder ein spannendes Gespräch. Das ist schon ganz weit vorn in meiner Vorstellung von Genuss.


Kannst du vielleicht etwas mehr zum Thema Gesichtspflege sagen? Gerne auch einfach nur Lesematerial.

Finde das Thema sehr interessant und hatte es selbst bis dato noch nicht auf dem Schirm.

Ich bin da auch nur Noob und lerne grad die Basics, aber auf /r/skincareaddiction und deciemchatroom.com kann man auf jeden Fall eine Menge Zeit verbringen und es gibt hier sicher Mitleser mit mehr Ahnung. ;)

Der Minimalkonsens, der sicher für jeden sinnvoll ist, ist vernünftiger Gesichtsreiniger (Cleanser), Feuchtigkeitscreme (Moisturizer) und Sonnenschutzfaktor (LSF50 im Sommer!). Alles andere hängt von den individuellen Bedingungen und Problemen deiner Haut ab. Die The Ordinary Produkte sind ganz cool, weil du nicht eine Megasuperdupercreme mit tausend Inhaltsstoffen hast, sondern einzelne günstige Produkte für einzelne Anwendungsfälle, aus denen du dann deine eigene Routine bildest.

Das nächste wäre dann eine Form von chemischer Exfoliation mit einer Säure, 1-2 mal die Woche und danach kann man über Serums wie Retinol (Vit A), Vitamin C, Hyaloronsäure oder Öle nachdenken, die alle wissenschaftlich fundiert Effekte erzielen und die Hautregeneration unterstützen. Aber da wird es schnell ziemlich kompliziert, welche Produkte man am besten wie kombiniert, vor allem, wenn man sich noch nass rasiert, weil die meisten Beiträge eher auf Mädels abzielen.

Ich merk auf jeden Fall schon nach kurzer Zeit einen deutlichen Effekt, selbst mit den reinen Basics; man sollte die Produkte nur langsam sukzessive einführen, um die Verträglichkeit zu testen und am Ende ist weniger auf jeden Fall mehr, aber das Thema ist durchaus interessanter, als ich es für möglich gehalten hätte. ;)


Mit ist keine solide Wissenschaft in dem Bereich bekannt, mit Ausnahme von Sonnencreme welche absolut sinnvoll ist (wenn das Ziel Schutz der Haut ist).

Könntest du mir da Quellen/Anstöße geben, bin sehr an soliden Reviews in dem Bereich interessiert.

Ich hab das nun auch nur in Sekundärquellen gelesen, keine expliziten Quellen zur Hand und hatte es anhand des überwiegenden Konsenses nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Innerhalb von ein paar Minuten Googlen, finde ich Papers wie: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3970829/ https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2699641/ https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5605218/ Aber ich hab die nun nicht reviewed oder in Frage gestellt. Zumindest bei Vitamin-C gibt es wohl durchaus Zweifler, aber beispielsweise Retinoide werden auch seit langer Zeit von Hautärzten zur Behandlung diverse Probleme verschrieben. Wahrscheinlich sind die meisten Effekte eher kurzfristig, aber wenn sie eine konkrete Verschlechterung kontern (Aknenarben, Rosacea, etc.), ist das doch wiederum indirekt auch eine langfristige gesundheitliche Verbesserung.