Mitarbeiteraktien versteuern
Steuerdokumentation
dann muss man sich nicht um Steuern kümmern.
Weit gefehlt, leider. Sell-to-cover dient nur dazu, dass dein Netto im Vestingmonat in etwa so hoch ist wie üblich und nicht vom geldwerten Vorteil aufgefressen wird oder gar negativ werden kann. Die Steuern musst du trotzdem noch machen. Auch wenn du sofort verkaufst. Dann kommt wahrscheinlich durch Gebühren und Wechselkursverluste aber etwas Verlustvortrag rum.
Man muss sich in der Regel nicht um den geldwerten Vorteil kümmern, aber natürlich um den Kapitalertragsteuerpart sämtlicher Transaktionen.
Ich hab z.B. zwei Chargen mit RSUs die quartalsweise Vesten mit 40% Autosell, plus zwei mal im Jahr ESPP (15% + besserer Preis Anfang/Ende). Das ergibt 2x ESPP und 8x RSU (jeweils aufgeteilt in Autosell+Depot) Einbuchungen, die zum Stichtag von USD in EUR umgerechnet werden müssen.
Selbst bei sofortigem Verkauf (was technisch trotzdem immer ein paar Tage später ist) hast du dann 8x Autosell Verkäufe, 2x ESPP und 4x RSU, die ebenso von USD in EUR umgerechnet und mit Gebühren des US-Depots, Gebühren der Hausbank, Währungskursverlusten und dem Verrechnungskonto des US-Depots (weil bei 40% Sell-to-Cover der Verschnitt bis zum nächsten vollen Anteil immer erst dort landet) gegengerechnet werden müssen.
Natürlich alles ohne jegliche Steuerdokumentation vom Broker, abseits von einzelnen PDFs für jede Einbuchung und jeden Verkauf. Macht richtig Spaß.
Depottransfers sind bei uns blockiert, aber ich bezweifle, dass dort die steuerlich relevanten Einstandskurse in Euro übertragen werden. Um die Steuererklärung kommst du also trotzdem nicht rum.
Automatismus ist trotzdem Verkauf
Dein Einwand bezieht sich auf den Verkauf, nicht den Kauf. Beim Kauf regelt sell-to-cover die Versteuerung des geldwerten Vorteils und mehr gibt’s da auch nicht.
Ich habe aber auch geschrieben, dass man die Aktien nicht über den US-Broker verkaufen sollte (wenn man sich da die Arbeit eben sparen möchte), sondern ins deutsche Depot überführt und dann dort verkauft. Die Gebühren sind hier natürlich anders, aber zumindest steuerlich sollte das die einfache Variante sein.
Soweit jedenfalls mein Verständnis, und ich gebe zu, dass ich da auch falsch liegen mag. Ich habe an diesem Jahr ebenfalls RSU und ESPP, daher wurde das bei uns zuletzt viel diskutiert und das war jedenfalls der Stand. Autosell kann unser Broker (eTrade) sowieso nicht.
Wenn ich da falsch liege wäre ich aber sehr an einer weiteren Diskussion interessiert. Ich kenne weitere 20 Leute für die das relevant wäre.
Also bei uns gibt es Sell-to-Cover (übrigens auch bei E-Trade) nur bei RSUs und wie “sell” suggeriert, ist das automatisch immer auch ein Verkauf und damit auch kapitalertragsteuerrelevant (und ggf. sogar AWV-meldepflichtrelevant :D).
Dabei wird aber in der Gehaltsabrechnung pauschal einfach nur der Verkaufserlös im Netto verrechnet, nachdem der geldwerte Vorteil natürlich centgenau versteuert wurde. Streng genommen müsste man den Verkaufserlös aber auch steuerlich im Detail betrachten, auch wenn die Haltezeit für dich virtuell 0 ist, da der Verkaufserlös durch Spread und Gebühren vom Vestingpreis abweicht und es meist auch 1-2 Tage Verzögerungen innerhalb des Depots zwischen Vestingdatum und Sell-to-Cover Verkauf gibt, womit unterschiedliche Währungskurse gelten.
Wird dir vermutlich aber niemand einen Strick draus drehen, wenn du das nicht korrekt machst, weil es in der Regel zu deinen Ungunsten ist und sowieso kaum jemand durchblickt.
Einstandskursproblematik
sondern ins deutsche Depot überführt und dann dort verkauft. Die Gebühren sind hier natürlich anders, aber zumindest steuerlich sollte das die einfache Variante sein.
Hatte den letzten Absatz noch dazueditiert - wie soll denn der deutsche Broker die Einstandskurse korrekt in Euro bewerten? In der Regel bekommt er die sowieso gar nicht, also Einstandskurs 0€. Dann wird pauschal 1/3 des Verkaufserlöses als Gewinn versteuert und du musst es dir über die Steuererklärung zurückholen. In jedem Fall enthält der Einstandskurs aber nicht die korrekte Währungsumrechnung.
IMHO ist selbst versteuern beim US-Broker zu bevorzugen, weil das Finanzamt gern freiwillig gezahlte Steuern annimmt, aber wenn du Geld zurückwillst, fragen sie eher drei mal nach. Merke ich ja schon in den Jahren in denen ich genau wie oben beschrieben einen Verlustvortrag anmelde - die Steuern nehmen sie immer ohne Rückfragen. Den Verlust erst nachdem sie mein Spreadsheet erschlagen hat. ;D
Erfahrungen Finanzamt
Hast du das alles schonmal mit einem FA besprochen oder machst das einfach so und bisher hat sich niemand beschwert? Ich frage das nur, weil ich mitunter gelesen habe dass hierzulande sowohl Steuerberater als auch FA bei diesen Konstrukten teilweise überfordert sind (ich bin’s auf jeden Fall…)
Ist eine längere Geschichte, ich hatte mir ursprünglich sogar mal Unterstützung bei einem Lohnsteuerhilfeverein gesucht. Direkt für vier Jahre rückwirkend natürlich. :D Der war so maßlos überfordert, dass er es nicht einmal mehr für nötig hielt, mich über die Korrespondenz des Finanzamtes zu informieren - von Anforderungen von Belegen bis zum Bescheid. Unglaublich. Hab es erst an einer zu geringen Überweisung auf mein Konto festgestellt und dann direkt schnell Widerspruch eingereicht, dem LHV fristlos gekündigt und alles selbst gemacht. Ging aber parallel auch noch um Vollkostenrechnung für dienstlich genutztes Privatfahrzeug mit Fahrtenbuch.
Nachdem die Finanzbeamtin dann mein Spreadsheet gesehen hat, hat sie alles akzeptiert, inklusive Verlustvortrag für drei der vier Jahre. In den Folgejahren hatte ich nur Gewinne, die ich freiwillig so gemeldet habe, da hat niemand nachgefragt. Jetzt grad für 2021 haben sie wegen Verlustvortrag nach Jahressteuerbescheinigungen gefragt und ich hab meine Dokumentation eingereicht, aber Antwort steht noch aus. :D Bin gespannt.
Ich bin mir schon zu 98% sicher, dass ich das alles korrekt mache und dass 95% meiner Kollegen aus Unwissenheit, Unvermögen und Unwille sich reinzufuchsen, Steuern hinterziehen. Ist im Detail aber auch echt fies, grad so Sachen wie “wir autosellen aufgerundet 40% der Anteile, verrechnen aber nur exakt 40% und das Delta geht ins US-Verrechnungskonto” - dort bekommst du dann am besten noch ein paar US-Cent Zinsen, die kapitalertragsteuerpflichtig sind und wenn du dir den Rest vom Konto bei einem späteren Verkauf mit überweist, kannst du das kaum auseinanderdröseln, außer du rechnest wirklich alle Buchungen und Gebühren gegen. Ansonsten könnte man ja einfach “€ auf meinem Konto/Gehalt eingegangen - Summe aller Einkäufe in €” machen. Und spätestens wenn es über mehrere Jahre hinweg geht und man nicht sofort verkauft, wird das echt lustig.
Am gefährlichsten ist es, wenn die Leute die Sache mit der “Adjusted Cost Basis” nicht verstehen, also dass der kapitalertragsteuerrelevante Einstandskurs natürlich der echte Briefkurs beim Kauf ist und nicht der rabattierte Kurs, den man bereits als geldwerten Vorteil versteuert hat. Das musste ich dem LHV-Typen drei mal erklären und ich glaub er hat das bis heute nicht verstanden. E-Trade gibt einem theoretisch einen CSV-Export mit Gain&Loss, aber das hat mehr Verwirrung gestiftet als es gelöst hat, daher lass ich das jetzt weg und dokumentiere lieber alle Buchungen selbst. Also getEsppConfirmation / getReleaseConfirmation für die Einbuchungen, Brokerage Trade Confirmation für alle Verkäufe, inkl. Autosell.
Tendiere aber fast dazu mir den Ärger für ~350€ Verlustvortrag, sprich effektiv 90€, zukünftig zu ersparen und die Verluste bei sofortigem Verkauf einfach runterzuschlucken. Die ganze Berechnung muss ich aber trotzdem machen, um zu sehen ob ich Gewinne gemacht habe und dann darf das Finanzamt imho auch etwas an meinem Leid teilhaben. :-)