Nachhaltiges Investieren

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This article was last updated on 2021-04-11, the content may be out of date.

Es ist reiner Aktionismus fürs eigene Gewissen, der effektiv jedoch nichts besser macht, aber dir selbst zum Nachteil gereicht. Das gefällt vielen nicht, aber bisher hab ich noch kein gutes Argument gegen meine folgenden Punkte gehört außer Denial.

Mal ganz abgesehen von Problemen was nun Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet, wo man die Grenze zieht und dass Unternehmen das dann einfach auslagern, gibt es zwei Möglichkeiten:

a) Du bist ein passiver Anleger. Du folgst dem Markt, deine Handlung bestimmt nicht die Preisfindung. Es ist schlichtweg irrelevant für den Kurs und die Welt wer die Aktien hält. Du bezahlst aber für dein Gewissen mit höheren Kosten und verringerter Diversifikation.

b) Du gehst davon aus, deine Handlung hätte tatsächlich einen - temporären - Einfluss auf die Preise, wenn genug Leute mitmachen. Du (und deine Mitstreiter) zahlen also mehr für nachhaltige Unternehmen als diese - in Bezug auf ihre Gewinnaussichten - eigentlich wert sind. So lang es hinreichend viele (10% sollten dank Derivaten vollkommen ausreichen, gleiche Argumentation wie bei aktiv vs. passiv im Kommer) rationale, also rein gewinnorientierte, aktive Anleger, die anhand von Fundamentaldaten, alternativen Daten, etc. den Preis bestimmen, werden diese mittelfristig den Unterschied arbitrieren und auf ihr faires Preisniveau zurückführen. Das Ergebnis ist dasselbe wie bei Punkt a), aber dieses Mal hast du nicht nur Kosten und Diversifikation verloren, sondern auch noch zu viel bezahlt.

Außerdem ist das “ich glaube die Welt muss/soll/wird nachhaltiger werden” kein Argument für eine Überrendite. Im Gegenteil - wenn nicht nachhaltige Unternehmen in Zukunft Probleme bekommen, bedeutet das mehr Risiko (climate risk) und mehr Risiko bedeutet mehr Rendite. Das ist auch in wissenschaftlichen Studien empirisch belegt, wie im folgenden Ben Felix Video detailliert beschrieben:

Weniger ESG = mehr Rendite, entweder weil mehr Risiko oder weil ESG Investoren bereit sind, zu viel für ESG-Unternehmen zu bezahlen, was die Rendite dieser Unternehmen verringert.

Investier marktbreit, hinterfrag und verbesser dein eigenes Konsumverhalten und spende einen Teil der Gewinne. Damit bewirkst du viel, viel mehr.


Also wenn ich bei MSCI MSCI World vs MSCI World ESG Screened vergleiche, dann hat die ESG Variante den normalen über die letzten Jahre outperformed.

Wie passt das in dein Bild davon, dass weniger ESG = mehr Rendite bedeutet? Zumindest die letzten Jahre war das ja offensichtlich falsch.

Ein paar Jahre haben keine statistische Signifikanz und können einfach eine Korrelation darstellen, dass z.B. durch Ausschluss gewisser Industriezweige andere Sektoren wie Tech, die im Zeitraum aufgrund vollkommen anderer Gründe besser liefen, überbewertet sind.

Die Papers, die im Video referenziert werden, werden sich da wohl mehr Gedanken gemacht haben, wie sie einen neutralen Vergleich hinbekommen.


Naja, den ESG Index gibt es seit 2012, das ist natürlich im Großen und Ganzen eine recht kurze Zeitspanne, aber man kann in dieser Zeitspanne eine konstante überperformance feststellen die auf 10 Jahre ca. 30% ausgemacht hat.

Klar, man weiß es nie mit 100%iger Sicherheit woran es schlussendlich dann lag, aber man hat das gleiche Bild bei den anderen ESG Screened vs normalen MSCI Indexes (z.b. EM vs EM ESG Screened), was schon nahelegt, dass ESG zumindest in der näheren Vergangenheit durchweg besser rentiert hat.

D.h. aktuell spricht mehr dafür, dass ESG = Mehr Rendite als anders herum. Mal sehen was die nächsten Jahre bringen.

Wie gesagt, allenfalls suggeriert das eine Korrelation durch Konzentration auf andere Sektoren und weniger Diversifikation. Hättest du in den letzten paar Jahren einfach nur Tech gekauft, hättest du auch den Index outperformed. Der Vergleich hinkt.

Man kann den Index anhand der ESG Kriterien ja auch darüber hinaus zurückrechnen. Nachhaltigkeit und Umweltschutz wurden nicht 2012 erfunden.

Die Studien, die im Video referenziert werden, beziehen sich z.B. auf 2004-2018:

https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3010234

A one standard deviation decrease in ESG scores is associated with an increase of 13 basis points in monthly expected returns.

Abstrakteres Paper zum Thema Präferenzen nach Geschmack statt nach Datenlage von Fama und French persönlich:

https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=502605

Das hier ist von 2020 und untersucht 2007-2019:

https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3455090

I develop an asset pricing model with partial segmentation and heterogeneous preferences. I characterize two taste premia that clarify the relationship between ESG and financial performance and two exclusion premia generalizing Merton’s (1987) premium on neglected stocks. By using the holdings of 453 green funds investing in U.S. stocks between 2007 and 2019 to proxy for sustainable investors’ tastes, I estimate the model applied to green investing and sin stock exclusion. The annual taste effect ranges from -1.12% to +0.14% for the different industries and the average exclusion effect is 1.43%.


Danke für die Links auf jeden Fall. Sehr interessant. Vielleicht verstehe ich dein letztes Zitat nicht ganz richtig aber:

the average exclusion effect is 1.43%.

Das scheint doch zu bestätigen, dass ESG Screened durch das Ausschließen von nicht konformen Aktien eine Überperformance erreicht. In dieser Studie mit 1.43% pro Jahr bestimmt.

Exclusion bezieht sich nach meinem Verständnis auf

I characterize two taste premia that clarify the relationship between ESG and financial performance and two exclusion premia generalizing Merton’s (1987) premium on neglected stocks

Exclusion premia on neglected stocks = Prämie für (wegen ESG) vernachlässigte Aktien.

Also das genaue Gegenteil. :-)


Der Punkt ist, dass ein rationaler Markt deine ideologische Übergewichtung ausgleichen wird, so lang es hinreichend viele rationale Marktteilnehmer gibt.

Das Ergebnis ist, dass du für den Gegenwert deiner Aktien zu viel zahlst, falls deine Übergewichtung überhaupt einen Effekt hat und temporär den Preis erhöht, und die skrupelloseren Anleger davon langfristig profitieren.

Du verlierst, die skrupellosen Anleger gewinnen, für die Unternehmen selbst spielt es keinerlei Rolle. Daran ist nichts Nachhaltiges; es ist eine reine Selbsttäuschung für das eigene Gewissen.


Es gibt ja eben auch die Möglichkeit, aktive Fonds zu kaufen. Nachhaltigkeit ist ja letzten Endes ein Kriterium zur Ausgrenzung bzw Selektion von Aktien, das nicht mit dem Ziel angewendet wird, eine marktschlagende Rendite zu erwirtschaften. Ich denke, ein ETF könnte sowas ohnehin nur schwer abbilden, verlässt man sich nicht auf sehr oberflächliche Kriterien wie den generellen Ausschluss von ein paar Branchen. Zusätzlich zu den Argumenten, die du genannt hast.

Wenn der aktive klassische Fonds oder ein aktiver ETF strengere Kriterien anwendet als nur übliches ESG/SRI-Screening und die Auswahlprozesse transparent kommuniziert, halte ich es prinzipiell für eine gute Wahl für ein nachhaltiges Investment.

Das hier hatte ich auf deine vorherige Antwort geschrieben, die du aber schon gelöscht hattest:

Es geht doch die Gesamtmenge die im Markt gehandelt wird und wie sich diese verteilt. Das global gehandelte Aktienvolumen liegt bei etwa 300 Milliarden $ am Tag.

Im Fall von a) weil deine individuelle Menge relativ zur Gesamtheit betrachtet schlicht insignifikant ist. Dagegen könnte man natürlich ideologisch argumentieren, dass man nur einen Unterschied macht, wenn irgendwer anfängt, blablabla und dann kommen wir bei b) raus.

Im Fall von b) weil sich die Käufe der übrigen Marktteilnehmer dann verschieben oder gar gegen den überhöhten Kurs gewettet wird, bis dieser dann spätestens bei den nächsten Quartalszahlen sowieso an die Erwartung basierend auf Fundamentaldaten angeglichen wird.

Es spielt keine Rolle zu welchem Zeitpunkt das passiert und ob das nach Stunden, Tagen, Monaten oder erst Jahren arbitriert wird. Aber irgendwann werden marktrationale Anleger den Preis definieren und sei es durch derbe Dividenden bei dreckigen Firmen zu Schnäppchenpreisen.

Es spielt auch keine Rolle ob wir über aktive oder passive Fonds reden, sondern wie sich welche Investititionssummen auf welche Anteilsklassen verteilen und wie sich dann das nicht ideologisch motivierte, marktrationale Geld in der Konsequenz verhält.

Meines Erachtens - und die Forschung bestätigt dies offenbar - profitiert das marktrationale Geld vom ideologischen Bias der vermeintlichen Nachhaltigkeit.


Ist eher die Frage, ob man die “skrupellosen” Investoren überhaupt auf eine Zahl drücken kann, dass sie den Effekt nicht ausgleichen können.

Dank Derivaten halte ich das für quasi ausgeschlossen. Wenn ich ein dreckiges Unternehmen für z.B. den halben Preis (Zuspitzung hilft zur Verdeutlichtung) vom nachhaltigen bei ansonsten gleichen Fundamentaldaten bekomme, dann findet sich immer jemand, dem die Moral egal ist.

Mal ganz abgesehen davon, dass Moral in Form von ESG selbst für nachhaltig motivierte Anleger ohnehin durchaus fragwürdig ist, wenn man genauer hinschaut.

Palmöl war mal die Hoffnung der Welt auf nachhaltige Treibstoffe und wird bis heute falsch verteufelt, nur weil es das platzeffizienteste Öl pro Anbaufläche ist. Für Nahrung wäre das vollkommen in Ordnung, aber wir (die EU) zahlen garantierte, überhöht subventionierte Abnahmepreise für Biodiesel, was den Großteil der Palmölnutzung ausmacht… Dafür sterben Regenwälder und Orang-Utans, nicht für Nutella.

Genauso kann ich Glücksspiel oder Alkohol okay finden, aber trotzdem für weniger Emissionen sein. Aber Energie und Emissionen werden sowieso in alles eingepreist werden müssen, da führt ohnehin kein Weg dran vorbei und dann bleiben vor allem die Kriterien übrig, über die man moralisch vortrefflich streiten kann.