Niedrige SWR

Note
This article was last updated on 2022-12-04, the content may be out of date.

Die Studie um die es dabei ging hatte aber methodische “Eigenheiten”, die zu diesen niedrigen Werten führen. Kurz gesagt berechnet sich eine sichere Entnahmerate (wenn sie auf historischen Daten beruht) aus der schlechtest möglichen Kursentwicklung wenn man frisch in den Ruhestand geht. Historisch betraf dies in den USA die Retirees die im Sept. 1929 kurz vor der Weltwirtschaftskrise in den Ruhestand gingen.

Das schlechteste Szenario zu betrachten ist ja die Definition einer SWR. Die Studie berücksichtigt aber immer noch die SWR mit einer 5% Wahrscheinlichkeit zu scheitern, nicht mit 0%.

Das Hauptproblem ist, dass fast alle alternativen Modelle einen massiven Survivorshipbias haben, weil zum einen Länder ignoriert werden, die gescheitert sind (z.B. Argentinien) oder einzelne, gewaltige, kompensierte Risiken beinhalten, die dann eben nicht eingetreten sind (z.B. Cuba Missile Crisis).

Im RR Forum gibt es eine entsprechende Diskussion und Cederburg hat auf Anfrage von Ben Felix die Daten mit internationalen Stocks ausgewertet (und im späteren Verlauf auch aktiv mitdiskutiert) und kam auf 2,5-2,8% SWR mit internationaler Diversifikation - mit weiterhin 5% Wahrscheinlichkeit zu scheitern. Die 2085er Daten sind für die Kohorte hier relevanter, vor allem auch weil die Lebenserwartung in Europa höher ist als in den USA.

https://community.rationalreminder.ca/t/episode-229-the-2-rule-for-retirement-spending-discussion-thread/20473/60

bzw.

https://community.rationalreminder.ca/t/episode-229-the-2-rule-for-retirement-spending-discussion-thread/20473/102

Meines Erachtens sind die größten Kritikpunkte die statische Entnahmerate und die fixe Bondallokation, sprich kein Glidepath/Bondtent. Das hat ERN alles schon deutlich optimiert.

Sie erwähnen auch alternative Strategien zur dynamischen Entnahmerate, beispielsweise Kitces’ Guardrails, oder nur um Inflationsrate-1% zu erhöhen, die in der Praxis deutlich eher Anwendung finden sollten, als einfach stumpf jedes Jahr fix voll inflationsadjustiert zu entnehmen.


Mein Verständnis dieser Diskussion war, dass ein international diversifiziertes Portfolio bei etwas über 3% rauskam und dieser Wert auch noch um ca. 50 Basispunkte konservativ gerechnet war aufgrund von Total Expense Ratio und Dividend Tax Leakage. Die Diskussion war aber länglich und verästelt, meine Hand lege ich dafür also tatsächlich nicht ins Feuer. Es ist sehr schade, dass die zugrundeliegenden Daten von GFD nicht verfügbar sind um das selber simulieren zu können.

Ob 2,5, 2,8 oder 3% hängt dann vom konkreten Portfolio und vor allem dem Renteneintrittszeitpunkt ab, siehe verlinkte Tabellen. Mir wäre aber die 5% Fehlerchance eher noch zu hoch, daher würde ich den Part durchaus konservativ sehen und mich eher auf die Entnahmestrategie selbst konzentrieren.

Was meinst du mit dem “Homebias während der Entnahmephase zur Reduzierung von Währungsrisiken”? Insbesondere bei Large Caps die ohnehin international operieren, würde ich erwarten, dass sich solche Effekte bereits wegmitteln. Ein starker Homebias hätte aber vermutlich einen merklichen Tilt was die Branchendurchmischung angeht zur Folge und würde mir daher mehr Bauchschmerzen bereiten. Kennst du Studien, die die Auswirkungen von Home-Bias daraufhin untersucht haben? Falls ja wäre ich dir für Hinweise in diese Richtung dankbar.

Ich hatte das Posting vor deinem Zitat noch etwas angepasst und hab den Homebiaspart rausgenommen, weil das etwas den Rahmen sprengt, ich eben keine sauberen Studienquellen dazu habe und ich erst danach bei der zweiten Tabelle angekommen bin. ;-) Die zweite Tabelle im Thread widerspricht dem statistisch dann wohl eher, wenn 6/54 domestic/international dann doch mehr SWR erlaubt als 36/24. Da müsste man dann dennoch genauer in die Daten schauen und sehen wie dort Domestic definiert wird. Das ist beim Euro natürlich eine ganze andere Sache als bei CHF.

Aktien selbst haben natürlich kein Währungsrisiko, sondern sind neutral bewertet, aber dein Spending eben schon. Ich denke auch, dass Währungsrisiko bei global agierenden Unternehmen nicht ansatzweise so trivial ist, wie die “70/30 BIP-gewichtet”-Fraktion es gern am Hauptsitz eines Unternehmens fest macht, aber es gibt schon eine gewisse, zumindest kurzfristige, Korrelation zwischen beispielsweise S&P500 und EURUSD und einige große Konzerne hedgen auch intern auf USD.

Für den Euro ist es wahrscheinlich auch ein kleineres Thema als für wohlhabende kleinere Länder. Für einen Schweizer wären sämtliche SWR-Modelle in den vergangenen Jahren hart nach hinten losgegangen - umgekehrt erwirtschaften aber die Schweizer Großkonzerne auch wieder den Großteil ihrer Gewinne im Ausland. Meines Wissens war eigentlich der Konsens, dass man Anleihen in Heimatwährung oder gehedged nimmt und bei Aktien stattdessen den Homebias erhöht, um die Währungsexposition statistisch zu minimieren.

Ben Felix zum Thema:

Es gibt laut Vanguard Paper je nach Währung Sweetspots bis zu denen internationale Diversikation die Volatilität verringert. Üblicherweise im ~60% Bereich, je nach Land (Euro Raum war tatsächlich als einziges 100%, aber eben mit deutlich weniger Daten). Dazu kommen ggf. Kosten- und Steuervorteile.

Der reale Home Bias ist im Schnitt natürlich viel höher als er sein sollte, gerade bei den Dax-Boomern. Aber etwas mehr als Market Cap kann durchaus sinnvoll sein. Ben Felix selbst empfiehlt genau wie Vanguard je 1/3 Domestic/US/International für Kanadier, aber da sind wohl Steuervorteile ein gewichtiger Punkt.

Persönlich finde ich das gerade für die Glidepathjahre interessant, um durch Ausschüttungen und Verkäufe die Steuerfreibeträge vollzumachen ohne steuerschädlich in zu viel Anleihen (also eher 20% als 40%) umzuschichten. Ich seh Währungsrisiko vor allem als kurzfristiges Problem und daher im Sequence-of-returns Kontext der frühen Entnahmerate relevant. Gegen das Langlebigkeitsrisiko will man dann doch eher möglichst international aufgestellt sein. Genau da kommt natürlich die Studie mit fixer Allokation wieder zu kurz.


Die akademische Optimierung auf die letzte Nachkommastelle bringt wenig wenn die globale Diversifizierung nur theoretisch ist, weil alles im Heimatland in einem lokalen ETF liegt. Wenn dann ein Kuba/Venezuela/Sowjetunion Szenario eintritt ist das ganze trotzdem nichts mehr wert, wenn man nicht tatsächlich international diversifiziert hat, sprich Investments in ausreichend unkorrelierten Wirtschaftsräumen.

Es bringt schon ziemlich viel. Sämtliche potenzielle Marktrisiken mit einem Black Swan Whataboutism wegzuwischen ist nicht konstruktiv. Dass ausgerechnet in Deutschland der Staat dein Depot kapert ist dann aber nur eines von vielen möglichen Krisenszenarien und meines Erachtens eines der doch eher Unwahrscheinlichen.

Das Risiko, dass chinesische ADRs (auch im Mantel) wertlos werden, dürfte um Größenordnungen höher sein.

Aber ja, mein Plan sieht vor, das Vermögen ab einer gewissen Depotsumme auf drei internationale Broker (IBKR für den Löwenanteil, möglicherweise Saxo und Swissquote komplementär), aufzuteilen. Das geht dann auch einher mit Auswanderungsplänen. Bis da reichen mir für meine persönliche Risikobewertung auch drei deutsche Broker, um gegen Betrug und Veruntreuung diversifiziert zu sein.

Die Paranoia kann man natürlich bis zu Fondsgesellschaften und Clearingstellen erweitern, aber das halte ich dann doch für ein sehr unwahrscheinliches Szenario.


Sorry, habe das nochmal etwas umformuliert. Natürlich bringt Diversifikation immer etwas was, aber welche Nachkommastelle jetzt bei der Entnahme/Renditeannahme optimal ist ist in dem Zusammenhang ein akademisches Detail. Dass der Staat das Depot komplett “kapert” ist vielleicht unwahrscheinlich, aber das Risiko dass diverse neue Steuern erhoben werden würde ich doch schon als signifikant betrachten… Irland/CH/DK sind m.E in der Beziehung wahrscheinlich relativ stark mit D korreliert, dann vermutlich besser US, Singapur o.ä.

Steuern hängen primär von deinem Wohnsitz ab, nicht vom Depotanbieter. Du kannst jederzeit auswandern. Dafür genügt ein Broker außerhalb deines Heimatlandes als hinreichende Abstraktion. Zwischen vollständiger Enteignung und veränderten Steuergesetzten auf die man immer noch reagieren kann, liegen Welten.

Es nimmt dich aber nicht in jedem Wohnsitzland jeder Broker und in so ziemlich jedem Land mit sicherer Infrastruktur nehmen sämtliche Broker für Privatpersonen an KYC mit CRS oder FATCA teil und tauschen ohnehin Daten aus.

Ich würde vor allem mit den USA vorsichtiger sein als mit Europa. Und auch Singapur ist Größenordnungen weiter von Bürgerrechten und Rechtsstaatlichkeit entfernt. Aber musst du selbst wissen - abgesehen davon, dass US Accounts erstellen ohnehin schon eher tricky ist, also LLC gründen oder erst einmal nach Dubai oder Mexico gehen und so. :-)

Klar, du kannst jetzt voll auf den Paranoia Zug aufspringen und dir Holdingstrukturen in Panama bauen, aber das ist eben auch alles nicht umsonst. Das wird imho erst ab 8-stelligen Summen interessant und relevant.

Ich finde es immer wieder erheiternd, welche gedanklichen Verrenkungen die Leute auf https://www.offshorecorptalk.com/ machen, nur um dann doch vom nächsten User zerrissen zu werden.