Renten- und Steuerreform

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Beitragsbemessungsgrenzen etc abschaffen. So lösen das unsere hochsozialistischen Nachbarn aus der Schweiz

Wieso bekommt das auf r/finanzen 17 Upvotes? O_O

Man kann ein Rentensystem nicht losgelöst vom Rest des Systems betrachten.

BBG abschaffen ist faktisch 1:1 identisch mit einer Steuererhöhung um 20% ab der BBG (sofern “bei gleichzeitiger Deckelung der Ansprüche / unter Aufhebung des Äquivalenzprinzips” gemeint ist, was üblicherweise der Fall ist, denn sonst wäre eh nichts gewonnen), noch schlimmer, wenn es für alle Sozialleistungen gelten würde. Das ist vollkommener Wahnsinn und würde niemals akzeptiert.

Das gesamte Steuersystem ist ein Balanceakt. Man kann die einzelnen Säulen nicht in Isolation betrachten, sondern nur gemeinsam. Ja, in der Schweiz macht man Umverteilung über die Rente. Dafür hat die Schweiz aber auch nur eine halb so hohe Einkommensteuer und keine Kapitalertragsteuer. Schlussendlich *begünstigt* das Gutverdiener. Ich persönlich würde liebend gern unser System bereits morgen auf das Schweizer System wechseln, aber für den Geringverdiener wäre das unterm Strich *nachteilig*.

Man kann sich aber nicht die Rosinen aus den anderen Systemen herauspicken, ohne zu sehen, dass es dafür auch in anderen Bereichen Unterschiede gibt. Es zählt das Gesamtzusammenspiel. Was man ebenso machen kann, ist das dänische Modell, sprich es gibt einfach nur Steuern, keinerlei zweckbezogene Abgaben, und alles wird aus einem großen Topf finanziert. Dafür ist in Deutschland aber historisch bedingt das Vertrauen in den Staat systematisch begrenzt worden, indem man die einzelnen Abgaben zweckbezogen gemacht hat.

In Deutschland sind Renten im Prinzip ein geschlossenes, mehr oder weniger nullsummenbasiertes System, das durch Steuergelder querfinanziert wird. Wir machen dafür Umverteilung bei der Einkommensteuer. Statt diese klare Abgrenzung mit einer populistischen und nicht durchdachten Forderung wie “BBG abschaffen” aufzuheben, könnte man genauso - mit dem *exakt identischen* Ergebnis - die Steuerquote entsprechend anpassen, ohne sonst irgendetwas am System ändern zu müssen. Dann würde man aber viel schneller merken, dass dieser Ansatz an der Praxis scheitern würde, weil die Besserverdiener sich keine 70%+ Abgabenquote ab 80k€ Brutto gefallen lassen würden ohne in Schaaren auszuwandern.

Dadurch, dass wir die Rente über Steuergelder querfinanzieren, finanzieren ironischerweise übrigens all jene, “die sich dem System entziehen” längst, ungedeckelt, die Renten der anderen mit.

vielleicht sind genauso sehr die Leute das Problem, die sich aus dem ganzen System raus genommen haben.

Leider ist es genau umgekehrt. Beispielsweise Ärzte mit ins System zu nehmen, würde noch mehr kosten, da diese in der Regel auch hohe Ansprüche erwerben und überdurchschnittlich alt werden, mit demographischem Wandel multipliziert also umso verheerendere Folgen für das System hätten.


D.h. wir brauchen eine größere Reform, die aber am Ende Gutverdiener (damit meine ich nicht BBG sondern eher 2-3x soviel und mehr) stärker belasten würde (ebenso Beamte).

Das System ist auf die Gesamtbelastung hin ausgelegt. Ab einer gewissen Schwelle von ca. 40k€ Brutto kommt jeder bei etwa 50-52% raus. Unter 30k€ zahlst du dafür quasi keine Steuern, sondern nur Abgaben denen eine Gegenleistung gegenübersteht

https://i.imgur.com/HxTaBFL.png

Gerechtigkeit ist immer subjektiv. Es gibt Untersuchungen, dass Abgabenquoten über 50-60% nicht von den Menschen akzeptiert werden, genau deshalb haben wir doch schon die Parität, dass wir die Hälfte der Sozialabgaben vor den Arbeitnehmern verstecken. Für die Firmen hat das überhaupt keine Bedeutung, es existiert einzig und allein, um die Leute hinzuhalten, nicht zu rebellieren.

Schau dir die Grafik an. Die rot gepunktete Kurve ist die, die zählt. Ich finde auch, dass sie zumindest stetig sein sollte und nicht diesen Buckel haben sollte. Das Problem ist aber: Wenn du die in der Mitte um 1% nach unten schieben möchtest, musst du rechts etwa 10% hoch gehen, weil es anteilig entsprechend weniger Zahler gibt. Es gibt an der Stelle so gut wie keinen Spielraum das System zu ändern, ohne dass du genau diejenigen verprellst, auf die du angewiesen bist. Es ist einfach immer auf die Reichen zu schimpfen, aber gerade beim Einkommen sind das nicht so viele, dass man denen alle Probleme aufbürden kann. Schon gar nicht, wenn man in Betracht zieht, dass sie sich dem auch einfach entziehen können, wenn es zu viel wird.

Unsere Steuerbelastung ist bereits sehr hoch. Ich finde wir müssen eher über die Verwendung diskutieren als über die Erhebung.


Sobald Kapitalerträge dein Haupteinkommen sind wird es gleich behandelt wie ein Lohneinkommen und voll besteuert.

AFAIK zahlt ein Privatier in der Schweiz lediglich die kantonale Vermögensteuer so lang es keine gewerblichen Ausmaße annimmt (siehe https://www.nzz.ch/finanzen/die-wahrheit-gibt-es-nur-vor-gericht-wenn-das-private-traden-boese-steuerfolgen-hat-ld.1302823 “Wer wie im erwähnten Beispiel eine Buy-and-hold-Strategie verfolgt und mit einem langen Horizont in Aktien investiert, agiert umsichtig und muss sich um Steuerfolgen seines Tuns keine Sorgen machen.”), also bei cleverer Wahl des Wohnsitzes gar nichts. Vor allem sind aber die Erträge in der Ansparphase komplett steuerfrei, während wir in Deutschland seit 2018 sogar Erträge vorversteuern müssen, bevor wir sie realisiert haben.

Währenddessen bezahlt in Deutschland ein Arbeitnehmer für 1€ Einkommen fast doppelt so viel wie ein Reicher der chillt und für die Gesellschaft keinen Mehrwert leistet.

Das ist pure Polemik. Zum einen sind die Erträge aus Kapitalgewinnen bereits mit Körperschaftssteuer belegt und multiplikativ somit höher als der Spitzensteuersatz, zum anderen sind Kapitalerträge nicht mehrwert- oder leistungslos, denn das Tragen von Risiko ist ebenso eine Leistung. Sein Geld zu investieren leistet genauso einen Mehrwert für die Gesellschaft. Wieso wollen immer die risikoaversesten Menschen, die selbst nicht bereit sind mit ihrem eigenen Geld an den Börsenplätzen zu investieren, an den Gewinnen und dem Risiko anderer partizipieren? Man kann den Kuchen nicht haben und essen.

Die Lösung liegt genau umgekehrt: alle sollten nach schwedischem und/oder amerikanischem Modell befähigt werden, entsprechend selbst an den Gewinnen zu partizipieren.


Du schneidest in deinem Beitrag eine Vielzahl von völlig unterschiedlichen Problemen an und wirfst einiges durcheinander. Natürlich hat die Globalisierung Auswirkungen auf die Mittelschicht und auf den Wohlstandsbauch der westlichen Gesellschaft, aber das kannst du nicht über Steuern lösen, denn dann fallen die Gewinne einfach woanders an, jedoch nicht mehr in Deutschland.

Die meisten deiner Probleme würde man am ehesten mit einer Erbschaftssteuerreform lösen. Ich bin voll dafür, dass jeder z.B. 1 Mio € Freibetrag im Leben aus sämtlichen Quellen zusammen (und nicht alle 10 Jahre) bekommt und alles darüber als Einkommen versteuert werden muss. Das Dilemma sind aber immer Firmenbesitz und Stimmrechte. Es geht im internationalen Vergleich sicher deutlich besser als wir es zur Zeit machen, aber eine wirklich faire Lösung fällt zumindest mir auch nicht ein.

Wir haben aber ohnehin eine hohe Belastung, gerade für Singles und hohe Entlastungen für Familien. Ich finde eine zu niedrige Steuerquote ist wirklich nicht unser Problem, sondern vielmehr unsere Verwendung. Von Verschwendung bis zu fortwährenden Steuergeschenke.

Die Möglichkeit haben schon mal alle diejenigen nicht, die kein Potential zum sparen haben.

Für genau diejenigen gibt es doch die Grundsicherung. Natürlich kann man über die Höhe streiten und unterschiedliche Leute werden da unterschiedliche Meinungen haben, aber genau dafür ist sie da. Prinzipiell kann jeder sparen (Sondersituationen wie Studium oder Hartz4 Bezug ausgenommen, aber die dienen nur der zeitlichen Überbrückung und sollen kein Dauerzustand sein), wer das nicht tut und nicht vorsorgt, lebt per Definition über seine Verhältnisse. Es ist nicht die Aufgabe unseres Rentensystems, für Umverteilung zu sorgen.

Es ist keine Möglichkeit bekannt aus einem umlageorientierten Rentensystem ein einlageorientieres zu machen. Damit ist das Thema schon durch.

Doch, natürlich. Man hört für die Zukunft mit dem umlageorientierten System auf (bzw. fährt es auf eine Grundrente für alle herunter) und finanziert die Reste des umlagefinanzierten Systems aus Steuergeldern weiter. Dauert eben zwei Generationen lang, aber bereits heute kommt ein Drittel der Rentengelder ohnehin schon aus Steuermitteln.