Teilzeitarbeit
Teilzeitstatistikenn
Selbst wenn man sich nur jeweils die Vollzeit bzw. Teilzeit arbeitenden Männer und Frauen miteinander vergleicht, machen Frauen deutlich mehr unbezahlte Arbeit (Quelle, Seite 13):
Vollzeit: 2:43 zu 2:07 täglich
Teilzeit: 4:26 zu 2:21 täglich.
Ich finde es relativ schwierig mit solchen Statistiken zu argumentieren, aus mehreren Gründen, obwohl ich das Thema eigentlich interessant finde.
Also vorweg - ich glaube auch, dass Frauen im Schnitt deutlich mehr Haus- und umso mehr Betreuungsarbeit leisten, wobei zumindest letzteres in der Regel einen impliziten Deal für den Ausgleich durch bezahlte Arbeit und das Haushaltseinkommen beinhaltet.
Allerdings glaube ich auch, dass das in jungen Beziehungen deutlich paritätischer zugeht als früher. Merz ist immerhin 64 Jahre alt und damit vor zwei Generationen sozialisiert worden. Seine Frau wird als Direktorin des Amtsgerichts wahrscheinlich auch nicht sonderlich mehr Hausarbeit machen und die beiden werden ziemlich sicher eine Haushaltshilfe beschäftigen und wollen sich nur als Leute des Volkes darstellen.
Selbstgewählte Arbeit und Ansprüche
Was mich aber bei “unbezahlter Arbeit” stört ist, dass es selbstgewählte Arbeit nach selbstdefinierten Maßstäben ist. Wenn die Frau den Anspruch hat, die Fenster wöchentlich zu putzen und dem Mann reicht monatlich, dann macht sie sich selbst vier mal so viel Arbeit. Wenn einer doppelt so effizient ist und sich nicht unnötig Zeit lässt oder nur halb so viel Dreck macht, schneidet er statistisch schlechter ab. Die zu erbringende Leistung wird weder normalisiert und damit vergleichbar gemacht, noch am Ergebnis gemessen.
Auch die Art was als Arbeit betrachtet wird unterliegt dabei in der Regel einem deutlichen Bias. Ehrenamtliche NGO Tätigkeit wird gern mitgezählt, aber die freiwillige Feuerwehr auch? Würde jemand Programmierarbeit an Open Source Projekten als unbezahlte Arbeit werten? Freiwilligen Support in Online Foren? Heimwerken an Möbelstücken in der Werkstatt?
Also noch einmal: Ich glaube trotzdem, dass Frauen mehr Arbeit im Haushalt machen, ich möchte nur die Zahlen differenzierter betrachten, denn noch viel interessanter als die Werte finde ich die möglichen Ursachen.
Gesellschaftliche Zwänge
Ich glaube nämlich mittlerweile, dass beispielsweise der unterschiedliche Anspruch beim Putzen viel mit gesellschaftlichen Zwängen zu tun hat. Wenn die Fenster dreckig sind, dann fällt das beim Gerede der Nachbarn negativ auf die Frau zurück, die ihren Haushalt nicht im Griff hat und kaum auf den Mann. Es herrscht also ein ganz anderer Druck und eine andere Erwartungshaltung an die Frau, woraus andere Ansprüche und Standards resultieren. Das müsste man als erstes angehen. Jedes Paar findet da sicher seinen gesellschaftlich geprägten Mittelweg, aber ich wette, dass dem eigenen Anspruch des Mannes in den meisten Fällen eine halb so hohe Frequenz vollkommen genügen würde.
Dazu kommt, dass sich noch immer viel mehr Frauen mit dem traditionellen Rollenbild identifizieren und tatsächlich die Hausarbeit auch als eine Erfüllung betrachten. Die Arbeit nimmt dann einen Selbstzweck ein und es geht gar nicht mehr um das Ergebnis, sondern viel mehr um die Tätigkeit selbst. Man putzt also aus Langeweile und die picobello Wohnung ist das Aushängeschild des eigenen Selbstwertes. Hier ginge es also viel mehr darum, den Selbstwert davon zu entkoppeln und die Frauen zu ermutigen und zu unterstützen etwas Eigenes zu haben. Ein Jodeldiplom oder so.
Gesellschaftliche Dimension
Deine Einschränkungen sind durchaus valide, aber das sind halt so ziemlich die besten Zahlen, die wir zu dem Thema haben. Und das ist besser, als völlig nach Gefühl ohne Statistik zu argumentieren.
Inwieweit diese Arbeit allerdings wirklich selbstgewählt ist, ist mMn diskutabel. Gerade wenn es um Pflegearbeit geht, hängt da halt eine andere Person von ab. Diese Arbeit dann einfach nicht zu tun, würde ich kaum als freie Wahl sehen, da die meisten Menschen hier starke moralische Skrupel hätten oder z.B. mit dem Jugendamt in Konflikt kommen würden.
Inbesondere deinen letzten drei Absätzen kann ich aber voll zustimmen.
Wollte die Zahlen auch nicht komplett invalidieren, sondern nur mal ein paar Gedanken ausformulieren, weil das meist so verkürzt dargestellt wird und man die Geschlechter gegeneinander ausspielt, statt es soziologisch zu betrachten, obwohl da eine Menge interessanter Ursachen und Dynamiken hineinspielen.
Rollennbilder
Naja, soziologisch betrachtet sind es ja gerade die gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen, die Ursache vieler Probleme in diesem Bereich sind. Das lässt sich also kaum vom Geschlecht trennen.
Joa, aber das zentrale Problem ist das gesellschaftliche Rollenbild, das in den Köpfen beider Geschlechter und umso mehr medial verankert ist, weniger das Fehlverhalten einzelner. Es wird allerdings meist sehr schnell zu einer individuellen Schulddebatte vereinfacht und das ist kaum konstruktiv.
Beispielsweise liegt es auch häufig gar nicht daran, dass der Mann sich nicht beteiligen möchte, sondern dass die Frau ihn gar nicht lässt, weil er es anfangs nicht so gut kann. Dass es initial bei ihr landet, ist natürlich zumeist wieder die Folge gesellschaftlicher Geschlechterrollen. Dann lernt er es natürlich auch nie und die Tätigkeit landet automatisch immer bei ihr. Mai[lab] hatte dazu ein schönes Video nach der Geburt ihres Babys.
Was alles ist Carearbeit?
Ehrenamtliche NGO Tätigkeit wird gern mitgezählt, aber die freiwillige Feuerwehr auch? Ja selbstverständlich zählt die freiwillige Feuerwehr.
Freiwilligen Support in Online Foren? lol, warum nicht gleich die Zeit auf Reddit zählen?
Es ging genau darum aufzuzeigen, dass die Abgrenzung eben nicht so deutlich ist, gerade weil klassisch weiblich dominierte Bereiche und Interessen (soziales) eher als unbezahlte Arbeit wahrgenommen werden als klassisch männlich dominierte Bereiche und Interessen (technisches), weniger um die konkreten Beispiele.
Die wahnsinnigen Leute, die freiwillig und unentgeltlich Foren moderieren oder gar Service Provider Probleme supporten, leisten imho auch keinen kleineren Beitrag zur Gesellschaft als jemand, der bei einer Kirche, NGO oder Wohlfahrtsorganisation hilft, bei der - polemisch gesprochen - die Hälfte der Erträge in Korruption versackt.